Die WHO hat am 30.Jänner 2020 einen „gesundheitlichen Notzustand von internationaler Bedeutung“ bezüglich des neuen Corona-Virus ausgerufen. Durch die rasante Ausbreitung über zahlreiche Länder und Kontinente, wurde am 11. März 2020 die Infektion zur Pandemie erklärt. Die Coronavirus-Krankheit (coronavirus diseas 2019 – COVID 19) ist eine durch das SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2) verursachte Infektionskrankheit.
Auch bei uns in Österreich hat die Erkrankung zu drastischen Einschnitten im täglichen Leben geführt. Ausgangsbeschränkungen, das Schließen fast aller Geschäfte, Hotels und Restaurants, sowie Schulen, Kindergärten und Universitäten.
Viele Menschen sind nachvollziehbar verunsichert, viele von uns sind arbeitslos oder in Kurzarbeitszeit.
Wir Zahnärzt*innen, zahnärztliche Assistent*innen und Prophylaxeassistent*innen, stehen nun einerseits vor einer großen Herausforderung, andererseits vor vielen offen Fragen.
Warum soll der Einsatz von rotierenden wassergekühlten Instrumenten minimiert werden? Warum sollte derzeit keine Mundhygiene mehr durchgeführt werden?
Bei jeder zahnärztlichen Behandlung mit Turbine (hohe Bohrerdrehzahl), Schall/Ultraschall oder Pulverstrahlgerät, entsteht ein unsichtbarer Nebel feinsten Wassers, Aerosol genannt, wo sich neben Staub auch Bakterien und Viren aus dem Mundbereich des Patienten befinden.
Bakterien und Viren kennen wir aus dem täglichen Leben. Sie kommen fast überall vor, sind für das menschliche Auge unsichtbar und können Krankheiten verursachen. Sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Größe. Bakterien sind bis zu hundertmal größer als Viren und können sich selbst vermehren. Viren hingegen brauchen dazu einen Wirt. Sie befallen fremde Zellen, zum Beispiel Zellen unseres Körpers und können diese dadurch zerstören. Antibiotika helfen nur gegen Bakterien. Sie greifen deren Zellwand an oder sie verhindern deren Vermehrung und führen dadurch zum Absterben. Gegen Viren sind Antibiotika machtlos. Es gibt bereits Impfstoffe gegen bestimmte virale und bakterielle Erkrankungen, welche das Immunsystem auf die Abwehr der Erreger vorbereitet. Gegen das derzeitige Covid 19- Virus ist aber noch kein Impfstoff vorhanden.
Wird also Aerosol durch die Anwendung oben genannter Instrumente erzeugt, können diese feinen Wasserteilchen mehrere Meter weit in den Raum getragen und dort auch noch nach Stunden nachgewiesen werden.
Wo finde ich Informationen, wenn ich nicht sicher bin, ob ich mich richtig verhalte?
Auf der Website der Zahnärztekammer Wien (ZÄK-Wien) findet man Handlungsempfehlungen (PDF Download) bezüglich Reinigung, Desinfektion, Umgang mit symptomatischen Patienten am Telefon, aber auch Informationen hinsichtlich der Schutzausrüstung.
Weiters sind dort auch Firmen angeführt, über welche noch fehlende Teile der Schutzausrüstung erworben werden können.
Spezielle Empfehlungen für zahnärztliche Ordinationen sind auch auf der Seite der Österreichischen Zahnärztekammer (ÖZÄK) zu finden, sowie auf der Seite der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie (ÖGP), wo Informationen über die Standardvorgehensweise in Zahnarztpraxen Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz angeführt sind.
Wie kann ich mich bestmöglich schützen?
Bei SARS-CoV-2 sind mehrere etablierte Forscher zu dem Ergebnis gekommen, dass das Virus, wie andere Erreger der Atemwegserkrankungen, hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet wird. Da die Infektiosität von Aerosolen und eine Ansteckung prinzipiell denkbar ist, möchte man die Risiken so gering wie möglich halten und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen.
Am Patienten sollten Einmalhandschuhe, Mundschutz, Brille/Visier, ggf. Einwegmantel und Haube, getragen werden. Generell sollte bezüglich Schutzausrüstung bei jedem Patienten individuell entschieden werden. Eine optimale Absaugung wird vorausgesetzt, und die Minimierung von Aerosolbildung angestrebt.
Geeignete Schutzkleidung also mit Masken, Einmalhandschuhen, Schutzmänteln, Schutzbrille, beziehungsweise Gesichtsschilder sind die Mittel, um eine Ansteckung zu verhindern. In der derzeitigen Notlage besteht nun allerdings die Problematik, dass zu wenig Schutzausrüstung und vor allem zu wenig Schutzmasken vorhanden sind.
Die Empfehlung der Zahnärztekammer ist also dahingehend, dass die persönliche Schutzausrüstung richtig, gezielt und ressourcenschonend eingesetzt werden soll.
Was ist eine FFP-Schutzmaske?
FFP („filtering face piece) – Schutzmasken sind partikelfilternde Schutzmasken, die Nase und Mund bedecken und Schutz vor Aerosolen und Feinstaubpartikel bieten. Dabei gibt es Unterschiede in der Dichtigkeit der Maske. Die Gliederung erfolgt in Schutzklassen:
FFP1, FFP2 und FFP3, wobei jeweils 80%, 94%, bzw. 99% der in der Luft befindlichen Partikel gefiltert werden.
In experimentellen Untersuchungen ist die Dichtigkeit dieser Masken dem klassischen Mund-Nasen-Schutz überlegen, allerdings konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass dies nur dann der Fall ist, wenn die Maske perfekt sitzt und dicht abschließt, da ansonsten die Ränder viel zu durchlässig sind.
Die Schutzmasken der Klassen FFP1, FFP2 und FFP3 sind Einmalartikel, und eine Wiederaufbereitung ist nicht vorgesehen.
Aufgrund der derzeitigen Notsituation jedoch, hebt die Österreichische Gesellschaft für Sterilgutversorgung das Verbot auf und empfiehlt alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das gesamte Gesundheitspersonal vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen. Somit können FFP2 und FFP3 Schutzmasken mit oder ohne Ventil durch Dampfsterilisation aufbereitet und dadurch wiederverwendet werden. Außer bei FFP1 und Mund-Nasen-Schutz (MNS). Hier wird davon abgeraten, da keine Erfahrungswerte vorhanden sind.
Wie gehe ich mit meiner Schutzmaske vor und nach meiner Behandlung um? Wie kann man sie sterilisieren?
Die Maske sollte vor dem Betreten des Behandlungsraumes angelegt und während des Aufenthaltes möglichst nicht abgenommen werden. Sie müssen darauf achten, dass die Maske dicht anliegt. Nach dem Verlassen der Behandlungseinheit kann sie abgenommen werden. Prinzipiell gilt, dass Schutzmasken bei Durchfeuchtung, aber spätestens nach 4 Stunden, gewechselt werden sollten.
Wichtig ist, dass gebrauchte, noch feuchte Masken, nicht in geschlossenen Gefäßen zwischengelagert werden, da dies zu Schimmelbildung und Vermehrung von Bakterien führen könnte. Bei Wiederverwendung wird die Maske daher zwischenzeitlich in einem Behälter ohne Deckel, vor Schmutz, Staub und Feuchtigkeit geschützt, aufbewahrt.
Nur zur Zeit des akuten Maskenmangels, und wenn keine sichtbare Verschmutzung und/oder Beschädigung vorhanden ist, kann eine Dampfsterilisation der FFP2 und FFP3 Masken durchgeführt werden.
» Dampfsterilisation bei 121 Grad Celsius / 20 Minuten
» Dampfsterilisation bei 134 Grad Celsius / 5 Minuten
Offenbar kam es nach Sterilisation schon zu Situationen, wo im Anschluss die Gummibänder ersetzt werden mussten und es gab es auch Ventile, welche nicht für die Dampfsterilisation bei 131 Grad Celsius geeignet waren. Daher gilt die Empfehlung, sich mit dem Hersteller in Verbindung zu setzen, falls Probleme oder Fragen auftreten.
Nach der Aufbereitung sollte an der Maske die Zahl des Aufbereitungszyklus und der Eigentümer/Benutzer notiert werden.
Schützt mich eine sterilisierte Maske noch?
Durch Testverfahren wurde festgestellt, dass eine einmalige Dampfsterilisation einer FFP2 Maske ohne Ventil keine negativen Auswirkungen hat. Es ist der gleiche Schutz wie bei einer nicht wiederaufbereiteten Maske gegeben. FFP2 Masken mit Ventil hatten nach einmaliger Sterilisation ein etwas schlechteres Ergebnis, jedoch waren die Anforderungen noch erfüllt.
Für wiederaufbereitete Atemschutzmasken der Schutzklasse FFP3 wird angenommen, dass nach Dampfsterilisation die Filterwirkung abnimmt, aber zumindest den Anforderungen von FFP2 entspricht.
Aufgrund mangelnder Erfahrung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden, wie oft eine Maske maximal aufbereitet werden kann, ohne dass die Filtrationsleistung beeinträchtigt wird.
Welche Maske soll ich jetzt verwenden?
Zu dieser Frage ist zu sagen, dass die korrekte Trageweise das wichtigste Kriterium darstellt. Die Maske muss dicht anliegen! Vor dem Anlegen und nach dem Abnehmen sollten immer die Hände gründlich mit Seife gereinigt, beziehungsweise desinfiziert werden. Die Außenseite der gebrauchten Maske ist potentiell erregerhaltig und sollte nicht mehr mit den Händen berührt werden.
Bei Behandlungen mit Aerosolbildung, sollte, wenn möglich und vorhanden, eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP3 verwendet werden, welche den besten Schutz in dieser Situation bietet. Bei Fehlen ist diese durch Atemschutzmasken der Schutzklasse FFP2, FFP1 oder durch einen Mund-Nasen-Schutz zu ersetzen.
Bei bestätigten COVID-19 Fällen sollten ausschließlich Masken der Kategorie FFP2 oder FFP3 eingesetzt werden, wobei ein gewünschter Schutz nur dann gewährleistet ist, wenn die Maske korrekt getragen wird.
Tipps und Anregungen
- Patienten am Vortag kontaktieren und abklären, ob Symptome bestehen
- Risikopatienten (Alter, Vorerkrankungen) zeitlich getrennt von anderen Patienten terminisieren
- Praxiseingang:
- Händedesinfektion
- Empfangsbereich:
- Abstandsschild
- Spritzschutz (Plexiglas) am Empfangspult
- Anamnese vor jeder Behandlung aktualisieren
- Einmalkugelschreiber
- Wartebereich:
- Wenn möglich Patienten direkt nach der Anmeldung in den Behandlungsraum führen
- Ansonsten max. 2-3 Personen gleichzeitig im Wartebereich
- Mindestabstand zwischen den Sitzgelegenheiten von 1,5-2 Meter
- Behandlungsräume:
- Ausreichend Lüften
- So wenig Instrumente und Geräte in einem Raum, um die Reinigung zu erleichtern
- Abdeckung der unmittelbaren Umgebung
- Geräte, welche nicht gebraucht werden in den Nebenraum oder abdecken
- Einwegaufsätze für Multifunktionsspritze
- CHX – Mundspülung vor Behandlung
- Praxisteam:
- Falls mehrere Behandler, unabhängige Teams bilden – Schichtsystem
- Gesundheitszustand des Teams täglich erfragen
- Persönliche Schutzausrüstung für jedes Teammitglied
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Checkliste und Empfehlungen
Ankleiden – Reihenfolge:
1. Desinfektion: Hände mit Seife waschen, Händedesinfektion
2. Schürze oder Schutzmantel
3. Handschuhe
4. Haube
5. Händedesinfektion (wenn Haube bereits benutzt wurde)
6. Maske muss dicht angelegt werden
7. Händedesinfektion
8. Schutzbrille/ Visier über Schutzhaube
9. Händedesinfektion
.Auskleiden – Reihenfolge:
1. Handschuhe ausziehen
2. Schürze/ Schutzmantel möglichst weit hinten angreifen
3. Händedesinfektion
4. Schutzbrille/ Visier ebenfalls möglichst weit hinten angreifen
5. Haube und Maske von hinten nehmen und weg vom Gesicht
5. Händedesinfektion
6. Täglicher Wechsel der Arbeitskleidung, bzw. sofort bei sichtbarer Verschmutzung
Allgemeines:
Seitens der Österreichischen Zahnärztekammer gab es bis vor kurzem keine eindeutigen Direktiven, aber die unverbindliche Empfehlung, alle Behandlungen auf das zahnmedizinisch Notwendigste zu reduzieren und auf Notdienstbehandlung umzustellen.
Am 8. April allerdings, kam nun eine „Änderung“ der Empfehlung seitens des Gesundheitsministeriums und der ÖZÄK insofern, dass ab jetzt in zahnärztlichen Ordinationen zahnmedizinisch notwendige Behandlungen erbracht werden dürfen, natürlich unter der Voraussetzung, dass alle Hygienerichtlinien, und die von der Bundesregierung angeordneten Maßnahmen eingehalten werden.
Die Ausbreitung des SARS-COV-2, mit den daraus resultierenden Krankheitsverläufen, wird uns vermutlich noch länger begleiten. Umso genauer sollten wir uns an die derzeit möglichen Schutzmaßnahmen halten und an die, durch unsere Politik auferlegten Regeln.
Die schrittweise Öffnung von Geschäften, sowie die Änderung bezüglich Zahnbehandlung, lässt den kleinen Hoffnungsschimmer zu, dass wir diese Krise bald hinter uns gebracht haben werden und langsam aber doch, zum Alltag zurückkehren können.
Abbildung: © shutterstock_1694908951_Tong_art